Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-148/15 am 19. Oktober 2016 entschieden, dass die deutsche Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gegen das Unionsrecht verstößt, sofern sie grenzüberschreitend tätige Versandapotheken betrifft. Die betreffende Regelung sei eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs. Hierzu erklärt BFB-Präsident Dr. Horst Vinken:
„Das EuGH-Urteil muss jeden deutschen Freiberufler alarmieren. Denn darin steht in Klarschrift: Die Mitgliedstaaten sollen nicht mehr in eigener Hoheit Regelungen zur Organisation des nationalen Gesundheitswesens treffen können. Das ist mehr als bedenklich: Jetzt kann also die Europäische Kommission qua Binnenmarktkompetenz das Vorrecht der nationalen Ebene, Gesetze für das Gesundheitswesen zu erlassen, aushebeln. Der EuGH weicht damit grundlegend von seiner bisherigen, langjährigen Rechtsprechung ab, nach der er den Mitgliedstaaten die Organisation des Gesundheitswesens zugeschrieben hatte. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der EuGH jetzt in ein Politikfeld eingegriffen hat, welches nach den europäischen Verträgen den Mitgliedstaaten vorbehalten ist. Die Bundesregierung ist gefordert, hier aktiv gegenzusteuern. Erste positive Impulse zeichnen sich hier bereits ab.
Die Entscheidung ist aber nicht nur ein Frontalangriff auf den Subsidiaritätsgrundsatz, sondern auch ein bedenklicher Paradigmenwechsel. Sie richtet sich einseitig am Preiswettbewerb aus und vernachlässigt Qualitätsaspekte. Außerdem wird der flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung durch Preisdumping ein Bärendienst erwiesen. Verantwortungsvolle Verbraucherschutzpolitik sieht definitiv anders aus. Obacht ist gefordert, ein Domino-Effekt droht. So betrifft dieser Richtungsumschwung nicht nur den Gesundheitssektor, sondern könnte auch in andere Bereiche ausstrahlen, in denen es Regulierung von freiberuflichen Dienstleistungen gibt. Wenn sich ein solcher Trend manifestiert, der Europarecht in Bereichen Vorrang gewährt, die bislang in der alleinigen Entscheidungskompetenz der Mitgliedsländer lagen, wäre dies ein Einfallstor, um die hierzulande bestehenden Berufsrechte der Freien Berufe auszuhöhlen. Dagegen werden wir uns als BFB mit allen Kräften wehren.“